Mittwoch, 19. Oktober 2016

Von siamesischen Zwillingen und sich auflösenden Wundfäden

Was mein Sohn Quirin in der Schule, 2. Klasse, so macht, ist für mich ein schwarzes Loch. Äußerst selten erfahre ich etwas aus seinem Schulalltag. Schon gar nicht freiwillig. Doch gestern beim Abendessen sagte er unvermittelt, seine Lehrerin hätte ihnen von siamesischen Zwillingen erzählt.

"Mama, wie entstehen siamesische Zwillinge eigentlich?", fragte er.

Dafür musste ich ihm erst mal erklären, wie Zwillinge überhaupt entstehen, dachte ich.

"Es gibt Zwillinge, die entstehen aus zwei Eizellen im Bauch der Mutter und heißen deshalb auch zweieiige Zwillinge. Entweder zwei Mädchen oder zwei Jungen oder Mädchen und Junge.

"Ja, weiss ich doch", sagte Quirin.

"Okay, gut. Es kann aber auch sein, dass sich aus einer Eizelle zwei Kinder entwickeln. Das passiert, wenn sich die Eizelle so teilt, dass sich daraus zwei Babys entwickeln. Das sind dann eineiige Zwillinge.

Wenn sich die Eizelle aber nicht ganz teilt sondern die beiden Zellen noch ein bisschen miteinander verbunden sind, wachsen zwei Babys heran, die auch noch miteinander verbunden sind. Sie können nur an der Haut verbunden sein, sie können aber auch gemeinsame innere Organe wie Lunge oder Leber haben".

"Oder nur ein Herz?" Quirin schaute mich mit großen Augen an.

"Ja", sagte ich. "Sogar das Herz kann verbunden sein. Man möchte natürlich, dass jedes der Kinder ein eigenes Leben führen kann und versucht, die Kinder zu trennen. Sind allerdings Organe verbunden, die man nur einmal hat, wie das Herz, ist es kaum möglich, die Kinder zu trennen. Man kann ja schlecht das Herz teilen."

"Und wie trennt man die Kinder?", fragte Quirin.

"Mit einer Schere?", fragte meine Tochter Josephia.

"Fast. Man trennt die Kinder während einer Operation. Da bekommen die Kinder eine Narkose, das bedeutet, sie schlafen und spüren nichts. Und dann trennt man die Zwillinge mit einem scharfen Messer."

"Aber dann ist da ja offen und die Babies bluten ganz stark", warf Quirin besorgt ein.

"Man näht die Wunde natürlich wieder zu", beruhigte ich ihn.

"So mit Nadel und Faden?", fragte er mich weiter.

"Ja, allerdings mit besonderen Nadeln und Fäden. Es gibt Fäden, die muss nach ein paar Tagen ein Arzt wieder entfernen, wenn die Wunde gut verheilt ist. Für Wunden, an die der Arzt nicht hinkommt, weil sie zum Beispiel im Bauch liegen, gibt es auch Wundfäden, die sich mit der Zeit auflösen", erläuterte ich.

"Und in was lösen sich diese Wundfäden dann auf? In Blut? Oder in Zellen?", fragte Quirin.

"Sie werden vom Körper abgebaut. Aber zu was, weiss ich eigentlich auch nicht genau. Komm wir schauen nach."

Ich zeigte den Kindern, wie man im Internet nach einer Antwort auf unsere Frage suchen kann. Quirin und Jospehia waren begeistert - wie immer wenn es um Internet geht. Sie hingen gebannt über dem Display meines Smartphones. Ich erklärte ihnen, was eine Suchmaschine ist und wie man am besten findet, was man sucht. Wir fanden dann folgende Erklärung auf der Internetseite eines Herstellers für chirurgische Nahtfäden:

"Das Nahtmaterial Polyglykolsäure ist resorbierbar, ein Copolymer aus Glycolic und Lactid, welches durch Hydrolyse abgebaut wird. Die entstehenden Abbauprodukte, Glykolsäure und Milchsäure, werden metabolisiert ohne das Wundmilieu zu verändern.".

Ich vernahm nur ein einstimmiges "Hääh?"der Kinder.

Ich versuchte zu vereinfachen:
"Das bedeutet, dass ein solcher Faden aus verschiedenen klitzekleinen Bausteinchen besteht, die wie Perlen an einer Kette hängen. Das Wasser in unserem Körper kann diese Kette dann in die einzelnen Bausteinchen zerschneiden und weiter verdauen, so wie unser Magen unser Essen zerkleinert und verdaut. Es bleibt noch das Gas Kohlendioxid und Wasser selbst übrig. Kohlendioxid können wir ausatmen und Wasser übers Pippi ausscheiden. Und irgendwann ist der Faden dann weg."

"Cool", rief Quirin. "Und was kann man da noch alles nachschauen im Internet? Kann ich mal nach dem höchsten Turm der Welt suchen? Und nach dem größten Mensch der Welt? Und nach dem ältesten Baum der Welt?"

Die Suche war eröffnet..

Dienstag, 18. Oktober 2016

Hat man alle Krankheiten von Geburt an?

Oma Erna hatte eine Hüftoperation. Ich besuchte sie mit meinen Kindern im Krankenhaus, was für Quirin und Josephia immer sehr aufregend und spannend ist. Für mich gestalten sich solche Besuche oft etwas unentspannt. Ich darf dann die Kinder ermahnen, in den Gängen langsam zu gehen - wer weiss wer hinter der nächsten Kurve entlanghumpelt - und verhindern, dass Oma im Bett fast zusammengeklappt wird, weil Quirin den Knopf zum Verstellen gefunden hat.

Ihre Enkel lauschten aufmerksam, als Oma erzählte, was bei ihr operiert wurde und dass sie einige Wochen nur mit Krücken gehen kann. Natürlich wurde auch sofort Omas Greifhilfe ausprobiert. Eine Art Teleskopstiel mit Greifer, damit sie ohne Aufzustehen etwas vom Nachttisch nehmen konnte.

Nachdem die Kinder alles, was nicht festgenagelt war, im Krankenzimmer mit der Greifzange hin- und her bewegt hatten, ging's in die Cafeteria. Oma Erna spendierte ein Eis. Beeindruckt beobachteten die Kinder jeden Patienten, der dort saß oder vorüberging: "Mama, was hat der Mann?" - "Mama, wieso hat die Frau ein Kabel im Arm?" Und natürlich immer schön laut und deutlich.

Mit zwei Euro von Oma fürs Sparschwein ging's auf den Nachhauseweg. Da fragte Quirin im Auto: "Mama... hat man eigentlich alle Krankheiten von Geburt an?"

Spannende Frage, denn sie ist komplexer als sie zunächst scheint.

"Es gibt Krankheiten, die bekommt man im Laufe des Lebens, manche sogar ziemlich oft. Zum Beispiel eine Erkältung mit Schnupfen, Halsweh und Husten. Das sind Infektionskrankheiten. Dabei gelangen krankmachende Bakterien oder Viren in unseren Körper. Das passiert, wenn uns jemand mit Schnupfen anniest oder bei einem aufgeschlagenen Knie Schmutz in die Wunde kommt. Unser Abwehrsystem, eine Art Polizei in unserem Körper versucht dann, die Eindringlinge zu finden und zu bekämpfen. Meistens klappt das gut. Doch manchmal muss diese Abwehr viele Feinde gleichzeitig bekämpfen und den Aufpassern in unserem Körper entwischen schon mal ein paar. Diese vermehren sich und wir werden krank, weil sie giftige Ausscheidungen in unserem Körper hinterlassen", erklärte ich.

"Was sind Ausscheidungen?", fragte Josephia.

"Pippi und sowas", sagte Quirin.

"Genau. Wir können aber auch krank werden, wenn wir einen Autounfall haben oder weil wir etwas giftiges essen.
Oder wenn in unserem Körper etwas schief geht. Unser Körper ist aus ganz vielen kleinen Bausteinen, den Zellen aufgebaut. Wenn diese Zellen zum Beispiel in der Lunge krank werden, können sie nicht mehr richtig arbeiten. Die Lunge kann den Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft nicht mehr so gut an die Muskeln weitergeben und wir können dadurch nicht mehr schnell rennen.

Im Inneren jeder Zelle befindet sich eine Art Zettel, wo drauf steht, wie die Zelle aussieht und was sie in unserem Körper zu tun hat. Die Zelle kann sich aber verändern, wenn manche Befehle auf dem Zettel verloren gehen. Unsere Zellen müssen auch immer erneuert werden und sie teilen sich. Dabei kann es auch passieren, dass gewisse Informationen falsch an die neue Zelle weitergegeben wird. Ein bisschen so, als würdest Du in der Schule die Hausaufgaben nicht richtig von der Tafel abschreiben."

"Schreiben die Zellen auch mit Bleistift?", fragte Quirin.

"Nein, es ist eher so, dass die Zelle einen Befehl liest und sofort erledigt", ergänzte ich.

"Also wie wir", rief Quirin und schmunzelte.

"Es kann aber auch sein, dass Zellen schon von Geburt an nicht ganz richtig funktionieren, weil sich bei der Entwicklung eines Babys ein Fehler eingeschlichen hat. Wenn der Fehler sehr schwerwiegend ist, kann man krank werden. So eine Krankheit kann man auch an seine Kinder vererben.

Manche Krankheiten bekommt man also im Laufe des Lebens erst. Manche hat man schon von Geburt an und man ist auch schon von Geburt an krank. Aber es kann auch sein, dass man eine Krankheit von Geburt an hat, sie aber erst als Kind oder Erwachsener ausbricht. Ärzte und Forscher wissen bei manchen dieser Krankheiten noch nicht warum das so ist".

Wir standen mittlerweile schon längst vor unserem Haus, blieben aber noch im Auto sitzen.

"Und was ist Krebs für eine Krankheit?", fragte Quirin.

"Krebs kann entstehen, wenn sich in einer Zelle zufällig ein Fehler einschleicht. Solche Fehler können aber auch Gifte verursachen, wenn wir sie einatmen oder essen. Wenn man raucht, kann man Lungenkrebs bekommen und die Zellen arbeiten nicht mehr richtig. Auch zu viele Sonnenstrahlen lassen Hautzellen krank werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns immer mit Sonnencreme eincremen oder im Schatten bleiben.
Allerdings vermuten Forscher, dass bei Krebserkrankungen bei Kindern sich schon vor der Geburt gewisse Zellen verändert haben."

Ich versank noch in Überlegungen über Krebs, Krankheiten und unseren Körper und ob wir mal wieder "Es war einmal das Leben" anschauen sollten. Da hörte ich von hinten: "Mama, können wir jetzt endlich reingehen? Ich muss aufs Klo!"

Ach ja, die Ausscheidungen...

Mittwoch, 5. Oktober 2016

Wachsen Haare endlos?

"Ich lasse meine Haare wachsen bis ich 18 bin", sagte meine Tochter Josephia neulich.
 
                     
Wachsen Haare wirklich endlos? www.kinderwollenswissen.blogspot.com
 
Sie ist viereinhalb und hat seit zwei Jahren einen Pagenkopf. Aber ihre Freundin Lisa im Kindergarten hat einen langen geflochtenen Zopf. So einen möchte Josephia nun auch.
In dreizehneinhalb Jahren sollte das klappen.
 
"Mama, sind die Haare an meinen Armen und Beinen dann auch so lang wie die am Kopf?", fragte Josephia. Geflochtene Zöpfe mit bunten Haargummis statt kurze weiche Härchen an den Armen? Die Vorstellung ließ mich schmunzeln.
 
Dass an unseren Armen und Beinen die Haare nicht endlos weiter wachsen, das wissen wir aus Erfahrung. Aber warum wächst das Kopfhaar ohne Friseurbesuch bis zur Hüfte, bleiben die feinen Augenbrauenhärchen, die Haare an Armen und Beinen jedoch kurz?
 
Wimpern, Augenbrauen oder Haare an Armen und Beinen fallen schon nach ein paar Monaten aus. Die Haare am Kopf leben viel länger, sechs bis sieben Jahre.
 
Das war allerdings nicht immer so. Der britische Forscher Adrian Barnett hat vor einigen Jahren herausgefunden, warum bei uns Menschen die Haare am Kopf viel länger werden (Bild der Wissenschaft 2006). Die  meisten Säugetiere haben ein gleich langes Fell am Körper.
Im Laufe unserer Entwicklung haben wir Menschen unser Fell abgelegt. Schließlich lernten wir Feuer zu machen und Kleidung zu benutzen. Wir mussten also nicht unnötig schwitzen.
Der Forscher vermutet, dass aber die Kopfhaare mancher Frühmenschen besonders lange wurden. Waren diese Menschen besonders beliebt, hatten sie auch viele Freunde, die ihnen bei der Haarpflege halfen.
Menschen mit vielen Freunden und schöner Haarpracht bekamen auch mehr Unterstützung von ihren Mitmenschen. Sie lebten möglicherweise besser, gesünder und bekamen mehr Kinder. Und sie vererbten ihre längeren Haare an ihre Söhne und Töchter und diese wieder an ihre.
 
Wirklich endlose Rapunzelzöpfe kann man dennoch nicht flechten. Irgendwann ist Schluss - auch unsere Haare am Kopf verlieren irgendwann ihren Halt in der Kopfhaut und fallen beim Waschen oder Kämmen aus. Das nächste Haar kommt gleich hinterher und wächst wieder einige Jahre. Oder bis der Friseur es abschneidet.
 
Mal sehen, wie lange Josephias Haare dann sind.
 


Dienstag, 4. Oktober 2016

Was ein Teddybär mit dem Klimawandel zu tun hat...

Es war Bettgehzeit und noch einmal suchte ich nach dem Teddybären meines Sohnes Quirin. Sein Bärli war schon eine Weile verschwunden. Ich schaute hinter den Sitzsack und in die Verkleidungskiste zwischen Cowboyhut und Feuerwehrhelm.

Hast Du ihn?
 
Nein, leider nicht. Wir suchen am Wochenende ganz gründlich überall.
 
Mama, kann man eigentlich zweimal geboren werden?

Wie jetzt? Den Zusammenhang verstand ich nicht.

Wie meinst du das, zweimal?

Also, nochmal - als etwas anderes, wenn man tot ist. Als Tier, als Bär zum Beispiel, oder als Kuh.

Naja, es gibt Menschen, die glauben, dass man als Tier oder Pflanze wiedergeboren wird. Viele Menschen in Indien glauben daran. Dort sind Kühe übrigens heilig und dürfen mitten auf der Straße liegen. Wie kommst du darauf, hattet Ihr das heute in Ethik in der Schule?

Nein, hab ich mir überlegt. Cool, dann könnte ich ja als Stein wiedergeboren werden. Dann wachse ich und werde immer grösser und grösser.

Quirin deutete mit seinen Händen ein immer grösser werdendes Gebilde an. Er war sichtlich begeistert von der Wiedergeburt als Stein.

Naja, sagt ich, ein Stein kann ja nicht wachsen.

Ok, dann als Gletscher, die wachsen doch.

Stimmt, sagte ich, allerdings schrumpfen im Moment die Gletscher eher, als dass sie wachsen.

Warum?

Wegen des Klimawandels.

Quirins Augen waren gross geworden und schauten mich wissbegierig an.

Mama, was ist Klimawandel?
 
Oh Mann. Klimawandel statt Gutenachtgeschichte. Also gut.

Wenn die Sonne auf die Erde scheint, treffen die Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche. Die meisten Strahlen werden dann wieder ins Weltall zurückgeworfen. Manche aber bleiben in der Luftschicht um die Erde herum hängen und die Erde erwärmt sich. Das nennt man Treibhauseffekt. Wenn aber mehr bestimmte Gase, sogenannte Treibhausgase in der Luft sind, bleiben immer mehr Sonnenstrahlen dort hängen. Auf der Erde wird es dadurch noch wärmer und unsere Gletscher schmelzen ganz langsam. Genauso wie das Eis an den Polen. So wird auch der Lebensraum für die Tiere wie die Eisbären kleiner. Andere Tiere können sich nicht an die höheren Temperaturen anpassen und sterben. Treibhausgase sind zum Beispiel in den Abgasen unserer Autos.

Deshalb gibt es jetzt auch Elektroautos, oder?

Genau.

Okay.

Quirin war erst mal zufrieden, aber es ratterte noch in seinem kleinen Kopf, das konnte ich ihm ansehen.

Kühe pupsen übrigens auch solche Treibhausgase in die Luft.

Wirklich? 

Quirin verzog das Gesicht.

Dann will ich als Elektroauto wiedergeboren werden!